Die Schließung der Justizvollzugsanstalt Neubrandenburg auf dem Lindenberg zum Jahresende 2018 hat den Anlass gegeben für eine lange überfällige Diskussion: wie kann die ehemalige Bezirksstadt Neubrandenburg an das DDR-Unrecht erinnern und den Opfern dieses Unrechts würdig gedenken? Der Gebäudekomplex der JVA Neubrandenburg wurde 1987 als Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR in Betrieb genommen. Deshalb liegt es auf der Hand, dass ein wie auch immer gestalteter Gedenk- und Erinnerungsort seinen Platz im Bereich der ehemaligen Justizvollzugsanstalt hat.
In bisher vier Foren wurde die Frage der Gedenkarbeit zum DDR-Unrecht aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und es wurde deutlich, dass viel Bedarf am weiteren Austausch besteht. Um dieser Diskussion ausreichend Raum zu verschaffen, hat die Stadtvertretung Neubrandung auf Initiative der grünen Fraktion Ende 2022 ein fünfjähriges Moratorium für das Gelände der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt beschlossen. Bis 2027 wird nun der Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Areals und zu Perspektiven des Gedenkens fortgesetzt – unter Beteiligung von Opferverbänden, Initiativen der Geschichtsarbeit, der Stadtverwaltung und nicht zuletzt der Stadtvertretung. Ziel dieses Prozesses ist es, in diesem Zeitraum ein sachgerechtes und würdiges Gedenkkonzept für das Gelände der ehemaligen Haftanstalt und der Opfer des DDR-Unrechts in der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg zu erarbeiten.
Eine Zeitlang sah es so aus, als würde das Land Mecklenburg-Vorpommern diesen Prozess durch den bereits ausgeschriebenen Verkauf der Immobilie behindern. Nun hat das Land auf vielfältigen Protest – auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gehört und das Verkaufsverfahren gestoppt.
Der Stadtvertreter Rainer Kirchhefer erklärt dazu: „Ich begrüße ausdrücklich, dass der Findungsprozess zur Gedenkarbeit in Neubrandenburg nicht länger durch das Land gestört wird. Ich erwarte, dass das Land sich nun auch seiner Verantwortung für diesen Prozess bewusst wird und sich unterstützend sowohl finanziell als auch ideell einbringt.“
Die Arbeit am städtischen Konzept des Erinnerns und Gedenkens ist nun mit einem Beteiligungsverfahren zur Findung eines Gedenkortes auf dem Lindenberg in eine nächste Phase gekommen. Die GRÜNEN Neubrandenburg setzen sich weiter für eine würdige Form des Gedenkens an das DDR-Unrecht unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen ein. Gedenken braucht nicht nur Orte, Gedenkarbeit braucht auch Räume. Es liegen nun erste Vorschläge der Stadtverwaltung vor. In dem ergebnisoffenen Prozess sollte zusätzlich geprüft werden, ob und wie das Gebäude der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt weiter genutzt werden kann – auch, aber nicht ausschließlich für das Gedenken der Opfer von Staatssicherheit und DDR-Unrecht.
Ole Krüger, Landesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergänzt: „Vergangenheit vergeht nicht. Sie wirkt auf Generationen fort. Gerade weil es zunehmend immer weniger Zeitzeug*innen gibt, ist es wichtig regionale Gedenkorte zu erhalten und mit Leben zu füllen. Nur so können nachkommende Generationen einen Bezug zu ihrer eigenen Geschichte aufbauen. Unsere Gesellschaft braucht konkrete Orte, damit Geschichte begreifbar wird. Die ehemalige Stasi-U-Haft in Neubrandenburg ermöglicht es erfahrbar zu machen, was Diktatur konkret bedeutet und was wir als Gesellschaft 1989/90 friedlich erkämpft haben. Hier ist nicht nur die Stadt Neubrandenburg, sondern die Landesregierung in einer Verpflichtung.“
Krüger besuchte heute die Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg. Dort tauschte sich u. a. mit den Mitarbeitern der Stadtverwaltung Dr. Marco Nase und Birger Maßmann zur Gedenkarbeit in Neubrandenburg aus. Zuvor besichtigte er das ehemalige KZ-Außenlager (Waldbau) im Nemerower Holz sowie die Mahn- und Gedenkstätte Fünfeichen.