Stasi-Haftanstalt: Land darf sich nicht aus Verantwortung ziehen

Das Land Mecklenburg-Vorpommern bietet die ehemalige Stasi-Haftanstalt auf dem Neubrandenburger Lindenberg für ein Mindestgebot von gerade einmal 20.000 € für das knapp 4 Hektar große Gelände zum Kauf an. Aus Sicht der Neubrandenburger Grünen stiehlt sich das Land damit aus seiner Verantwortung.

„Vor zwei Jahren hat die Stadtvertretung auf unsere Initiative hin mit dem Beschluss über das Moratorium ein Bekenntnis für die Aufarbeitung des DDR-Unrechts gesetzt“, so Rainer Kirchhefer, Vorsitzender der Grünen Fraktion in der Stadtvertretung.

Mit dem Beschluss soll der Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Areals und zu Perspektiven des Gedenkens unter Beteiligung von Opferverbänden, Initiativen der Geschichtsarbeit und Stadtvertretung fortgesetzt werden. Ziel dieses maximal fünfjährigen Prozesses ist ein sachgerechtes und würdiges Gedenkkonzepts für das Gelände der ehemaligen Haftanstalt und die Opfer der Staatssicherheit der DDR in Neubrandenburg.

Sowohl die Stadt Neubrandenburg als auch der Verein Gedenkort Neubrandenburger Lindenberg – Stasi-Untersuchungshaftanstalt haben in den letzten beiden Jahren Veranstaltungen zur Auseinandersetzung mit dem Areal durchgeführt und verschiedene Ideen für ein Gedenkkonzert entwickelt.

„Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich das Land vollkommen aus seiner Verantwortung als Eigentümerin des Areals ziehen will und nun den Verkauf vorantreibt. Im Verkaufsexposé wird die Vergangenheit des Geländes als Stasi-Untersuchungshaftanstalt mit keiner Silbe erwähnt. Es wird sogar der vollständige Abriss forciert,“ ergänzt Marcel Spittel.

„Mit dem Verlauf zum jetzigen Zeitpunkt gefährdet das Land den gerade erst in Gang gesetzten Prozess zur Auseinandersetzung mit der historischen Bedeutung des Lindenbergkomplex für die Stadt Neubrandenburg. Hier sollen offenbar über die Köpfe der Menschen in unserer Stadt hinweg Tatsachen geschaffen werden. Dagegen verwehren wir uns. Wir fordern vom Land, den Verkauf zu stoppen“, macht Rainer Kirchhefer klar.

Das Areal wurde im Jahr 1987 als Untersuchungshaftanstalt der Stasi im Bezirk Neubrandenburg in Betrieb genommen und bis zur Wende als solche genutzt. Der Lindenbergkomplex war in der DDR das einzige Gefängnis in Plattenbauweise und sollte als Prototyp für weitere Stasi-Haftanstalten dienen. Trotz einiger Umbaumaßnahmen seit der Wende, lassen sich viele Spuren dieser Zeit noch immer auf dem Gelände erkennen. Wie der Lindenbergverein mit seiner Zeitzeugenarbeit während Führungen vor Ort eindrucksvoll belegte.

Als ehemalige Bezirkshauptstadt ist die Geschichte Neubrandenburgs eng mit jener der DDR verbunden. Im Stadtbild wird das an vielen Stellen deutlich: Karl-Marx-Statue am Schwanenteich, Schubert-Fresken im Rathaus, der erste WBS-70-Plattenbau der Republik oder auch das Ensemble Neustrelitzer Straße. All das ist heute noch zu sehen. Die Auseinandersetzung mit dem DDR-Unrecht hat hingegen gerade erst begonnen. Für diesen Prozess braucht es Zeit – Zeit, die das Land der Zivilgesellschaft offenbar nicht einräumen möchte.

Auch die Neubrandenburger Landtagsabgeordnete Jutta Wegner äußert ihr Unverständnis über die aktuellen Verkaufsbemühungen des Landes: „Außer warmen Worten findet die verantwortliche Ministerin Bettina Martin keine Strategie im Hinblick auf die Unterstützung der Erinnerungsstätten. Der Landtag hat zuletzt im Juni des vergangenen Jahres mit einem Antrag der Fraktionen SPD und LINKE die Bedeutung der Erinnerung und damit auch der Erinnerungsstätten hervorgehoben. Die Landesregierung wurde aufgefordert die schulische und außerschulische Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur zu fördern und zu verstärken. Dazu braucht es aber diese Erinnerungsstätten und auch die Unterstützung des Landes. Meine Fraktion wäre gern noch weiter gegangen, hat aber für unseren eigenen Antrag keine Mehrheit erhalten.“

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